In meiner Jugend konnte man an vielen Häusern Spalierbäume sehen. Insbesondere solche, die obsttragend waren. Dies hatte auch einen triftigen Grund. Durch den Schutz der Hauswände wurden die Pflanzen im Winter vor Frost besser geschützt, als solche, die im freien Garten wuchsen. Die Sonne erwärmte die Hauswand und die Früchte bekamen mehr Wärme und Schutz ab, als alle anderen. In der Folge kamen hier die Blüten und dann auch die Früchte früher und waren viel saftiger und süßer als alle anderen.
Mein Vater und ich pflückten die reifen, leckeren Äpfel und Birnen, setzten uns unter den riesigen Lindenbaum im Garten und genossen den Schatten, während wir uns über das Obst hermachten bis uns der Magen wehtat. Ach, was waren das für schönte Zeiten. Leider kamen Spalierbäume irgendwann aus der Mode und bei einer Haussanierung wurden einfach keine neuen mehr gepflanzt. Derzeit jedoch erleben Spalierbäume eine Renaissance – ob nun als Obst- oder reine Zierbäume.
Auch Linden, die man früher praktisch auf jedem Dorfplatz sah, verschwanden nach und nach bei der Sanierung alter Dorfkerne. Die gute alte Sitte, sich dort zu treffen und den neuesten Klatsch auszutauschen war eingeschlafen oder durch die sogenannten Errungenschaften der Moderne, wie dem Handy, abgelöst worden.
Was macht einen Spalierbaum eigentlich aus?
Gerade dann, wenn man nur einen begrenzten Platz hat, sind Spalierbäume wirklich perfekt. Durch ihren Formschnitt kann man die Größe zudem optimal beeinflussen. Auch wenn man eine eher strenge oder auch nostalgische Gartengestaltung liebt, passen Spalierbäume ausgezeichnet. Selbst, wenn man “nur” eine Terrasse hat und dennoch einen hübschen Baum darauf platzieren möchte, eignen sich Spalierbäume bestens. Durch das schmale Spalier wird eine vielleicht ansonsten ausladende dreidimensionale Baumkrone neu ausgerichtet, was zu deutlich weniger Platzbedarf führt.
Ebenso wie auf einer Terrasse, lassen sich daher Spalierbäume auch auf einer Grundstücksgrenze einpflanzen, ohne Ärger mit dem Nachbarn fürchten zu müssen, weil mal wieder ein Baum zu weit über die Grenze gewachsen ist. Bei der Gestaltung ist man in der Formgebung vollkommen frei und kann dem Baum beliebige Schnitte geben.
Hat man viel Platz, ist eine Linde einfach unverzichtbar
Kann man einen großen Garten sein Eigen nennen, bietet ein Lindenbaum einen wahrlich majestätischen Anblick. Ein alter Lindenbaum weist einen mächtigen, stolzen Stamm auf. Unter der dichten Baumkrone kann man geschützt große Feste feiern oder einfach nur auf einer Bank sitzend die Kühle an einem heißen Sommertag genießen. Während man verträumt unter der Linde sitzt und den unzähligen Bienen und Hummeln beim Sammeln des so wohlduftenden Nektars zuschaut, denkt man vielleicht auch schon an den nächsten Winterabend, an dem man einen heißen Lindenblütentee aus eigener Ernte genießt. Die nächste Erkältung hat somit kaum eine Chance, einem den Tag zu ruinieren.
Erinnerungen sind wie Baumringe
Erinnerungen sind etwa Wunderbares. Sie legen sich um die Seele, wie die Baumringe um den Kern des Stammes. Immer neue kommen hinzu und verdecken vielfach die darunterliegenden. Aber sie sind da. Man muss sie nur sichtbar machen oder sie sich wieder ins Gedächtnis rufen. Dann können sie viele Geschichten erzählen, schöne Geschichten, traurige Geschichten und solche, die man eigentlich lieber vergessen würde. Aber auch die gehören am Ende dazu, um die schönen noch mehr zu würdigen.
Bäume wie der Lindenbaum haben durch ihre Langlebigkeit die Kraft, Erinnerungen zu wecken. Vielleicht erinnert man sich an den Tag, an dem die nun mächtige Linde gepflanzt wurde oder entdeckt ein in den Stamm eingeritztes Herz mit dem Namen der ersten großen Liebe. Vielleicht denken Sie aber auch, wie ich, an Ihren Vater und wie er mit Ihnen die saftigen Früchte des Spalierbaums auf dem alten Familiengrundstück pflückt.